Zehn Jahre ESUG – ist die neue Sanierungskultur im deutschen Mittelstand angekommen?

Richterhammer

Das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ – kurz ESUG – feiert zehn Jahre. Inzwischen hat sich das Instrument in der Sanierungspraxis als planbare und effektive Methode etabliert. Bis zum erhofften Mentalitätswandel in der deutschen Sanierungskultur muss allerdings noch weitere Überzeugungsarbeit geleistet werden – besonders bei Gläubigern und Kreditgebern.

Seit dem 1. März 2012 gibt das ESUG kriselnden Unternehmen die Möglichkeit zur selbstbestimmten Sanierung. Ziel der Insolvenzrechtsreform ist es, Unternehmensverantwortlichen durch ein Eigenverwaltungsverfahren mehr Einfluss auf den Verlauf der Insolvenz zu ermöglichen und die Wettbewerbsfähigkeit selbst wieder herzustellen, wenn sie rechtzeitig Unterstützung suchen. Denn häufig gestehen Unternehmer sich eine Krise viel zu spät ein – in der Regel bleibt dann weniger Handlungsspielraum für eine Sanierung des Betriebes. Der Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen soll mit dem ESUG und den dazugehörigen Werkzeugen des Insolvenzrechts leichter ermöglicht werden.

Neuausrichtung mit ESUG: Praxistauglich und planbar

Insolvenzen in Eigenverwaltung und das damals ebenfalls neu eingeführte Schutzschirmverfahren haben sich inzwischen in der Praxis etabliert: Bei der Hälfte der Top-50-Insolvenzverfahren 2021 wurde die Eigenverwaltung gewählt. Sanierungsexperten und
-expertinnen konnten zudem beobachten, dass sich Mittelständler inzwischen früher mit den Sanierungsmöglichkeiten befassen. Auch gegenüber der präventiven Restrukturierung nach dem StaRUG bringt das Eigenverwaltungsverfahren einige Vorteile: Dank dem Insolvenzgeld, dem Sonderkündigungsrecht von Verträgen und steuerlichen Vorteilen gibt das ESUG Unternehmerinnen und Unternehmern in Eigenverwaltung mehr Liquiditätsspielraum. Zusätzlich wird durch das Gesetz der Dialog zwischen Insolvenzgerichten, Beratern und Gläubigern gefördert, was die Verfahren allgemein transparenter und planbarer macht.

Nachholbedarf bei verbindlichen Konventionen

Allerdings wurde immer wieder Kritik an dem Gesetz laut. Insolvenzen in Eigenverwaltung seien nicht per se nachhaltiger als im Regelinsolvenzverfahren. Einige Unternehmen nutzten die Eigenverwaltung, obwohl ihr Fall dafür nicht geeignet sei. Zudem seien die ESUG-Werkzeuge anfälliger für Manipulation durch die Schuldnerseite, da es lange kein verbindliches Regelwerk für die Voraussetzungen von Eigenverwaltungsverfahren oder die Kriterien für die Personen des Eigenverwalters und des Sachwalters gab. Als Reaktion auf die Kritik wurden Anfang 2021 die gesetzlichen Zugangsvoraussetzungen im SanInsFoG präzisiert.

ESUG: Meilenstein auf dem Weg zum Paradigmenwechsel

Auch wenn das Fazit nach zehn Jahren ESUG grundsätzlich positiv ist, komplett verschwunden sind die Zweifel an der Sanierungsform leider noch nicht. Manche Gläubiger und mitunter auch Gerichte stellen sich beim Verfahren in Eigenverwaltung die Frage, wie ebenjene Geschäftsführung, die die Krise mit verursacht hat, das Unternehmen wieder in die Wirtschaftlichkeit führen soll zumindest dann, wenn sich die Geschäftsführung dabei nicht beraten lässt. Trotz allem werden Schutzschirmverfahren und Eigenverwaltung als Werkzeuge in der Sanierungspraxis auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Das ESUG hat für eine Demokratisierung des Insolvenzrechts gesorgt: Unternehmensverantwortliche nehmen die Sanierung mit Expertenunterstützung selbst in die Hand. Eine Vielzahl von Unternehmen konnte in den letzten zehn Jahren saniert werden, Standorte und Arbeitsplätze blieben erhalten. Wichtige Meilensteine auf dem Weg zur neuen Sanierungskultur im Mittelstand sind damit geschafft.

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