Mehr notleidende Kredite durch die Corona-Krise
Experten sind sich einig: Die Corona-Krise wird die Zunahme von notleidenden Krediten befeuern, wenn auch zeitversetzt. Die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e. V. (BKS) warnt im NPL-Barometer 2021 vor notleidenden Krediten in Milliardenhöhe. Die Befragten aus den Kreditinstituten rechnen hier mit rund 40,6 Milliarden Euro an Non-performing Loans* (NPL) im laufenden Jahr. Dies ist eine beträchtliche Summe, allerdings weniger, als die Experten noch bei der Umfrage im letzten Jahr prognostiziert hatten. BKS-Präsident Jürgen Sonder verwies bei Veröffentlichung des aktuellen NPL-Barometers dennoch darauf, dass nur die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen die Banken bislang vor einer Welle notleidender Kredite bewahrt und Insolvenzen verhindert hätten.
Im NPL-Barometer 2021 befragten die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing sowie die Frankfurt School of Finance & Management die Risikomanager aus deutschen Kreditinstituten hinsichtlich ihrer Einschätzung zur Entwicklung der NPL-Märkte.
Dominoeffekte und langes Nachwirken befürchtet
Die Risikomanager der Banken rechnen in der Befragung damit, dass sich die Auswirkungen der Pandemie vor allem in den nächsten Jahren – 2022 bis 2024 – in den Bilanzen der Banken niederschlagen werden. Für 2022 werden 47 Milliarden Euro an „faulen“ Krediten bei deutschen Geldhäusern prognostiziert. Hierbei wird ein Dominoeffekt befürchtet: eine steigende Anzahl von insolventen Firmen, bedroht gesunde Unternehmen/Vertragspartner. Insbesondere in den von den Auswirkungen der Pandemie besonders betroffenen Branchen – Gastronomie, Einzelhandel und Tourismus – würden Ausfälle unvermeidlich sein.
Früherkennung und Risikovorsorge
Die Europäische Zentralbank (EZB) rief angesichts solcher Szenarien die Banken im gesamten europäischen Raum auf, sich auf zunehmende Problemkredite einzustellen und sich entsprechend vorzubereiten. Die Kreditinstitute müssten sich proaktiv und vorausschauend mit dem Management von Kunden in Schwierigkeiten beschäftigen, ausfallgefährdete Kredite frühzeitig erkennen und die Risikovorsorge für mögliche Kreditausfälle wesentlich hochfahren.
Bereits im vergangenen Jahr hatten viele Geldhäuser aufgrund der Corona-Krise hohe Rückstellung gebildet, um sich zu wappnen. Weiteren großen Mehraufwand für die Banken sieht BKS-Präsident Sonder bei der Restrukturierung beziehungsweise Sanierung von insolvenzgefährdeten Unternehmen. Früherkennung und Risiko-Monitoring seien die Gebote der Stunde.
Notleidende Kredite belasten Banken und Wirtschaft
Einerseits gehören notleidende Kredite für Banken zum geschäftlichen Alltag, denn dass Unternehmen oder auch Privatpersonen in finanzielle Schwierigkeiten geraten, ist nichts Ungewöhnliches. Andererseits ist dies für Banken immer mit Kosten verbunden. Daher wollen sie ihren Bestand an Non-performing Loans so gering wie möglich halten.
Dazu gehört, dass Geldhäuser keine Kredite vergeben, die absehbar mit übermäßigen Risiken verbunden sind. Sie müssen klare Kreditvergabekriterien aufstellen und die Bonität ihrer Kreditnehmer sorgfältig prüfen. Damit stellen Banken sicher, dass Kredite nur dann vergeben werden, wenn die Wahrscheinlichkeit der Rückführung hoch ist. Allerdings hebelt ein unvorhergesehenes, und noch dazu weltweites, Großereignis wie die Corona-Pandemie die Vorhersagbarkeit von Risiken aus. Denn hierdurch sind auch Unternehmen in Not geraten, die vorher völlig gesund waren.
Notleidende Kredite belasten Banken in zweierlei Hinsicht:
- Sie schwächen die Ertragskraft, da sie Verluste verursachen und schmälern die Erlöse.
- Um Vorsorge für potenzielle Verluste zu treffen, müssen die Banken ggf. hohe Rückstellungen bilden. Eine Bank mit zu vielen notleidenden Krediten kann letztlich Unternehmen nicht mehr die Kredite bereitstellen, die benötigt werden, um Investitionen zu tätigen und Arbeitsplätze zu schaffen. Sind Banken in größerem Stil von toxischen Krediten betroffen, kann sich dies auf die gesamte Wirtschaft auswirken.
*Zum Begriff „Non-performing Loan“:
Notleidender Kredit, auch Problemkredit, toxischer Kredit, leistungsgestörter oder – umgangssprachlich – fauler Kredit, im Englischen Non-performing Loan (NPL) genannt.
Ein Kredit wird als notleidend eingestuft, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Kreditnehmer ihn wahrscheinlich nicht zurückzahlen kann oder er bereits seit mindestens 90 Tagen mit der vereinbarten Ratenzahlung in Verzug ist. Dies kann der Fall sein, wenn ein Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät und zahlungsunfähig ist, spätestens, wenn es einen Insolvenzantrag stellt.
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